Weinreise Tessin

Delea

Nach einer nächtlichen Busreise von München nach Bellinzona und einigen Stunden des Wartens, begann mit der Fahrt zur Fattoria Amorosa unsere Schweizer Weinreise vom Tessin bis zum Aargau. Die Fattoria Amoroso auf einer kleinen südlich ausgerichteten Anhöhe, unweit von Bellinzona gelegen, gehört zum Besitz der Familie Delea, die seit über 30 Jahren den Weinbau im Tessin maßgeblich mitbestimmt hat. Das Weingut umfasst 50 ha Rebfläche inklusive des Traubenzukaufs, wovon annähernd 90% den roten Reben vorbehalten sind. Bei einem Mittagessen im Agriturismo Amoroso genossen wir eine sehr runde, trinkanimierende Cuvée von Sauvignon Blanc und Chardonnay – zum danach gereichten, im Merlot gedünsteten Rinderbraten einen straffen, würzigen, sehr guten Merlot.

Gialdi-Brivio

Nach dem Mittagessen stand der Besuch der Kellerei Gialdi respektive Brivio auf dem Programm. Brivio, Ende der 1980er-Jahre gegründet und vorwiegend auf Weine aus dem Sottoceneri fokussiert, gehört seit 2001 zu Gialdi, welche bereits 1953 gegründet wurde und den Schwerpunkt mehr bei den Weinen aus dem Sopraceneri hat. Da die Außentemperatur bei unserem Besuch an die 35° C betrug, bot uns die Führung durch die, in den Berg hineingebauten annähernd 12° C kühlen Weinkeller Erholung von der nachmittäglichen Hitze. Erstaunlich, dass dieser Temperaturunterschied natürlich entsteht, wohl dadurch, dass vom Comer See aufsteigende Winde im zerklüftetem, höhlenreichen Massiv des Monte Generoso gekühlt werden und auf der dem Comer See abgewandten See wieder aus dem massiv austreten. Diese natürliche kühle Luft haben wohl alle Erbauer dieser Region zur Klimatisierung der Weinkeller genutzt, denn auch die nächste besuchte Kellerei wies diese Art der Kühlung auf. Je einen Weiß- und einen Rotwein von Gialdi bzw. Brivio haben wir verkostet. Der gute Terre Alte Bianco di Merlot 2016 von Gialdi, ein fruchtiger, schlanker Wein, mit Banane und Zitrus sowie einem leicht kräuterig-bitterem Nachhall. Gut, fast sehr gut der im Holz vergärte und ausgebaute Bianco Rovere 2016 von Brivio, ebenfalls leicht krautig-bitter im Abgang, mit spürbarem Holz, aber dennoch verhältnismäßig schlank wirkend. Gut auch die beiden Rotweine, der Riflessi d‘Epoca 2014 von Brivio, der fassgeprägte Noten von (Milch-)Kaffee und zartem Zimt zeigt und durch sein ansprechendes Säurerückgrat gewinnt. Der Sassi Grossi 2014 von Gialdi, ein sehr fruchtiger Wein mit guter Struktur, der jedoch noch etwas verschlossen wirkt.

Valsangiacomo

Von Gialdi-Brivio machten wir uns zu Fuß auf den, bei diesen Temperaturen sehr schweißtreibenden Weg zum Weingut Valsangiacomo. 1831 als Weinhandelshaus gegründet, begann Valsangiacomo 1956 Trauben auf eigenen Rebflächen zu erzeugen. Heute werden rund 22 Hektar kultiviert, von denen eineReihe unterschiedlicher Tessiner Merlotweine produziert werden. Vier davon sowie einen Syrah stellte uns die seit letztem Jahr dort tätige junge Kellermeisterin vor. Gut der Piccolo Ronco 2012 mit sehr guter Struktur, zarter Bittermandel, griffig, mit guter Säure und spürbarem Tannin. Ebenso gut, aber fast diametral entgegengesetzt der Roncobello 2015: sehr rund, fruchtig, mit weichem Tannin und fruchtiger Säure sowie zartem Holz. Sehr gut, der leicht ledrige, dunkelfruchtige Gransegreto 2013 mit seinen Noten von Bitterschokolade und den feinen, aber spürbaren Tanninen. Ebenso sehr gut, der kraftvolle Rubro 2013 mit röstigen Fassnoten, dunkler Schokolade und kräftigem Tannin. Auch der 1831 Syrah 2013 fruchtig, würzig, pfeffrig, mit gutem Trinkfluss, ein sehr eleganter und guter bis sehr guter Wein.

Agriloro

Am nächsten Tag war die erste Station Agriloro, ein Weingut, das im Jahr 1981 durch Meinrad C. Perler mit dem Kauf eines alten Guts mit 11 Hektar Rebfläche ins Leben gerufen wurde. Heute gedeihen 28 Rebsorten auf rund 20 Hektar mageren Bodens in durchschnittlich 300 m Seehöhe. Viel wurde und wird in Weinbau und Vinifikation investiert, sei es in die mit modernste computergesteurte Tankführung bei der Vinifikation oder auch beispielsweise in Amphoren aus dichterem Material und damit auch mit einer geringeren Sauerstoff-Durchlässigkeit. Der Ertrag liegt bei durchschnittlich 5.000 kg/Hektar entsprechend etwa 38 Hektoliter pro Hektar. Neben bereits vermarkteten Weinen konnten wir auch Amphorenproben von zwei, bisher noch nicht im Handel angebotenen Weinen verkosten. Wie auch am Vortag eröffnete ein Wein aus überwiegend weiß gekeltertem Merlot die Verkostung. Der Oro Bianco 2016, zu 70% aus Merlot, 20% Chasselas und 10% Chardonnay gekeltert ist einfacher, aber guter Wein, sehr fruchtig mit frischer Säure, kräuterig und im Nachhhall zart bitter. Die folgende Verkostung eines Amphorenweins, ein bei 23 ° C vergärter Wein aus 2016 gelesenen Chardonnay, offenbarte einen guten bis sehr guten Wein, der sehr rund im Geruch, Aromen tropischer Früchte, Feinhefenoten sowie eine lebendige Säure zeigte, nussig, sehr lebendig, harmonisch, vegetal und zart bitter war. Ein Wein der bisher noch nie im Handel war, vielleicht aber seinen Weg dorthin unter dem Namen Cleopatra finden wird. Gut der Chardonnay 2014: grüner Apfel, zarte Nuss, sehr rund und saftig mit guter Struktur und einem schönen Abgang. Sehr gut der Granito 2014, aus Chardonnay, Sauvignon Blanc, Weiß- und Grauburgunder, straff, mineralisch, mit fast rassiger Säure, einer guten Struktur und einem sehr langen Abgang mit Noten grüner Äpfel.

Bei den Rotweinen eröffnete eine Amphorenprobe von Merlot 2016 den Reigen – ebenfalls ein Wein, der noch nie im Handel war und möglicherweise als Archeos seinen Einzug halten wird. Würzig, mit gut spürbarem Tannin, dunkelroter Frucht und etwas Schokolade zeigt der gute bis sehr gute Wein gute Komplexität und einen guten Abgang, ist allerdings noch etwas unrund. Sehr ausgewogen präsentierte sich der mehr als gute Sottobosco 2014 gekeltert aus 75% Merlot sowie Petit Verdot, Cabernet Franc, Cabernet Sauvignon und Gamaret, 18 Monate im Barrique ausgebaut, rotfruchtig mit leicht grasigen Noten,sehr schön eingebundenem Holz, spürbaren Tanninen und einer frischen Säure. Der aus 50% Merlot und etwa 10 andere Sorten gewonnene Casimiro 2013 zeigte sich sehr saftig, mit leichtem Aceton und spürbaren, noch in Abrundung befindlichenTanninen. Ein eleganter, mehr als guter Wein mit medizinischen und balsamischen Noten. Der sehr gute Syrah 2013 mit dezenter Nase, dennoch im Geschmack sehr würzig und fruchtig, mit Pfeffer und Olive, kräftige, runden Tanninen – sehr saftig und sehr elegant.

Tenuta Montalbano

Noch vor Mittag erreichten wir die Tenuta Montalbano, die zur einzigen Kooperative dieser Region gehört, der 1949 gegründeten Cantina Sociale di Mendrisio. 250 Erzeuger bearbeiten 10-15% der regionalen Rebfläche. Drei Linien produziert die Cantina. Weine der zwei Linien im gehobenen Qualitätsbereich, Monticello sowie Montalbano stellte uns Piercarlo Saglini, der Vorstandsvorsitzende der Cantina vor. Montalbano seit 1962 im Besitz der Cantina ist eine rund 20 Hektar große Einzellage bestanden mit etwa 88.000 überwiegend alten Reben. Monticello fungiert als weitere Linie von Montalbano. Zum Start, wie in allen besuchten Tessiner Kellereien ein Bianco di Merlot 2016, Tenuta Montalbano, ein sehr ordentlicher, einfacher frischer Wein, nussig, wie fast alle weiß gepressten Merlots mit leicht bitterem Nachhall, der gut mit den später angebotenen, sehr italienisch angehauchtem Vorspeisen harmonierte. Von gleicher Qualität und ebenso gut zu den Vorspeisen passend der Passioni 2015 Merlot, Monticello, ein Wein mit guter Struktur, eher schlank, mit präsentem Tannin, zarter Frucht und einem guten Abgang.

Gut der Convivio 2015, Monticello aus Chardonnay, Viognier und weissgepresstem Merlot, einzeln ausgebaut, der Chardonnay im Holz. Dementsprechend zeigte der Wein Noten des Fassausbaus, aber auch von Feinhefe und tropischen Früchten. Sehr rund mit reifer Säure, mineralisch, leicht salzig mit leichten Gerbstoffen und zarten Bitternoten. Fast ebenso gut der Chardonnay 2013, Tenuta Montalbano, 14 Monate ausgebaut im Barrique mit Batonnâge. Der Wein etwas unrund mit im Vordergrund stehender Feinhefe, Fassnoten sowie Karamell und etwas zurückgenommener Frucht. Gut sowohl der Incanto 2013, Monticello, mit reifer Frucht, kräftigem Tannin und sehr guter Struktur, als auch der Riserva 2015, Tenuta Montalbano, im Duft mit toastigen Noten, im Geschmack fruchtig, mit Kaffee und röstigen Aromen, das kräftige Tannin noch in der Abrundung befindlich.Sehr gut gefallen hat mir der Racconti 2012, Monticello, hergestellt aus partiell angetrocknetenTrauben mit 18 monatigem Ausbau in kleinem Holz. Ein sehr eleganter, fruchtiger, überaus saftiger Wein mit kräftigen, abgerundeten Tanninen.

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